Ein Adventskalender über Fermentation – ein Fermentskalender. 24 Türchen, hinter denen sich Erstaunliches aus der Geschichte der Fermentation, besondere Empfehlungen für eigene Reisen in den Mikrokosmos, weihnachtliche Zukunftsvisionen und natürlich ganz viel Besinnlichkeit verbergen. Auch einige Überraschungsgäste tauchen auf, teilen Rezepte mit uns oder schwärmen von ihren Lieblingsmikroben.

Viel Spaß dabei und habt eine schöne Adventszeit!

Fermentskalender - Türchen #19: Fermentation im Weltall

Fermentieren auf der Erde kann ja jeder. Also warum nicht erforschen, wie es sich so in Schwerelosigkeit braut? Dachten sich zumindest einige Wissenschaftler:innen. Denn schließlich wäre es ein Jammer, wenn wir andere Himmelskörper besiedeln würden und sich dann herausstellte, dass wir dort keine Brauereien eröffnen können.

Bier brauen, völlig losgelöst

„Es wird immer machbarer, den Weltraum zu erschließen und damit geht die Möglichkeit einher, auch in geringer Schwerkraft zu brauen.“ So leitet ein Forschungsteam  aus Florida eine ihrer Publikationen über das Bierbrauen unter geringer Schwerkraft ein. Also einfach mal gucken, wie es sich da draußen so fermentiert. Das beruhigende Ergebnis: es gibt zwar einen Einfluss auf die fermentierenden Hefezellen, aber insgesamt wird der Prozess und die Qualität des Biers durch geringe Schwerkraft kaum beeinflusst. Wäre das also schon einmal geklärt. Aber was ist mit den Weintrinker:innen unter uns? Zur Fermentation habe ich bisher keine Publikation gefunden, allerdings wurde 2019 zwölf Flaschen Bordeaux auf die Internationale Weltraumstation ISS geschickt. Zwei Jahre später kehrten sie wohlbehalten wieder zurück und siehe da: im Weltraum war der Wein schneller gealtert. Schon überlegen sich findige Geschäftemacher:innen, ob das nicht eine Geschäftsidee für die Zukunft ist.

Wirklich vielversprechende Experimente

Neben solchen eher kuriosen Studien gibt es auch potenziell wirklich wegweisende Forschung unter geringer Schwerkraft.

Yuri ist ein Biotechnologie-Startup aus Meckenbeuren am Bodensee, das sich auf die Durchführung maßgeschneiderter Experimente in der Schwerelosigkeit spezialisiert hat. Das Unternehmen entwickelt spezielle Mini-Labore, die auf der ISS eingesetzt werden (also vielleicht neben dem Raum mit dem Bordeaux), um biologische Prozesse unter sogenannten Mikrogravitationsbedingungen zu untersuchen.

Einige der wirklich spannenden Forschungsschwerpunkte von Yuri:

  • 3D-Zellkulturen: In der Schwerelosigkeit können Zellen komplexe dreidimensionale Strukturen bilden, die auf der Erde schwer nachzubilden sind. Dies ermöglicht ein besseres Verständnis von Zellwachstum und -differenzierung.

  • Modellierung menschlicher Krankheiten: Langzeitaufenthalte in der Mikrogravitation führen zu Veränderungen im Immunsystem, Knochenschwund und Muskelschwäche. Durch Studien unter diesen Bedingungen können neue Erkenntnisse über die Entwicklung und mögliche Behandlungen solcher Erkrankungen gewonnen werden.

  • Proteinkristallisation: In der Schwerelosigkeit wachsen Proteinkristalle größer und in höherer Qualität, was die Analyse ihrer Struktur erleichtert und zur Entwicklung neuer Medikamente beitragen kann.

  • Pflanzenbiologie: Ohne die Einwirkung der Schwerkraft reagieren Pflanzen anders auf Umweltreize, was Forschern hilft, die Mechanismen des Pflanzenwachstums und der Entwicklung besser zu verstehen. Auch ganz neue Eigenschaften, wie Resistenzen gegen Schädlinge können durch die genetischen Veränderungen unter niedriger Schwerkraft entstehen.

Und speziell auf Mikroorganismen bezogen:

  • Wachstum und Verhalten in Schwerelosigkeit: Yuri untersucht, wie Mikroorganismen in der Schwerelosigkeit wachsen und sich verhalten. Solche Studien sind entscheidend, um die Auswirkungen der Weltraumbedingungen auf mikrobielle Lebensformen zu verstehen und potenzielle Anwendungen in der Biotechnologie, inklusive der Fermentation zu identifizieren.

  • Entwicklung von Bioreaktoren für den Weltraum: Das Unternehmen entwickelt spezielle Bioreaktoren, die für den Einsatz im All konzipiert sind. Diese Bioreaktoren ermöglichen es, mikrobiologische Prozesse unter den einzigartigen Bedingungen der Mikrogravitation zu erforschen und zu optimieren. So wird auch Fermentation im All in Zukunft möglich.

  • Anpassung von Mikroorganismen an Weltraumbedingungen: Indem Mikroorganismen der Weltraumumgebung ausgesetzt werden, untersucht Yuri, wie sie sich an extreme Bedingungen anpassen. Dies kann wertvolle Erkenntnisse für die Entwicklung ganz neuer biotechnologischer Anwendungen liefern.

Neben Experimenten auf der ISS gibt es noch die Möglichkeite, suborbitale Raketenflüge oder auch sogenannte Parabolflüge mit Flugzeugen durchzuführen, bei denen einige Minuten Schwerelosigkeit herrschen.

Okay, das war nun ziemlich viel über nur ein einziges Startup. Aber ich finde es wirklich faszinierend, was dort passiert. Und ihr hoffentlich auch. Ich öffne nun noch das 19. Türchen meines Bieradventskalenders. Prost!

Mehr zum Thema

Es gibt sogar Bakterien, die im All überleben und andere Planeten besiedeln könnten. Falls euch das näher interessiert, guckt doch mal in Türchen #8.

Mehr über Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft der Fermentation gibt es in meinem 2024 im Residenz Verlag erschienenen Buch „Revolution aus dem Mikrokosmos – Nachhaltige Ernährung durch Fermentation“. Zu kaufen überall, wo es Bücher gibt, zum Beispiel direkt auf der Seite des Verlags. Mehr zum Buch findet ihr auch hier auf meiner Webseite.

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